Orbis sensualium pictus Schola ludus Comeniusdenkmal Arzneigärtlein Seelenparadies Adamitischer Kreis Irrgarten Mosaisches Becken Weltenmeer Wiesenteppich Rosenhain Veilchenbeet Seminar Werkstatt Auge Gottes Mutterschulbereich Lateinschulbereich Gemeine Schule Schule des vorgeburtlichen Werdens Akademiebereich Schule des Berufs Greisenschule Schule des Todes COMENIUS-GARTEN MIT LEBENSWEG Entwurf   Cornelia Müller und Jan Wehberg   Wissenschaftliche Beratung   Henning Vierck, 1987 ff

Lateinschulbereich

Comenius hielt vor Schülern in Ungarn am 28. November 1650 eine Rede, in der er hervorhob, dass Bücher nicht bloß gelesen, sondern, „die wichtigsten Stellen unterstrichen [wenn im Privatbesitz] und exzerpiert“ gehören, für letzteres sich ein Tagebuch anbiete, „mit einem alphabetischen Register“, vielleicht sogar mit „Tafeln oder Mappen“ (Dokumenten und Ordnern), auf denen „die Schlagwörter der Dinge vermerkt sind.“*

* Komenský, J.A.: Über den rechten Umgang mit Büchern, den Hauptwerkzeugen der Bildung. Berlin 1970, S. 15 ff.

Das Comeniusdenkmal

Mit Unterzeichnung der Gründungsurkunde des Comenius-Gartens im Jahre 1992 verpflichtete sich Berlin das geistige Erbe von Comenius in der Alltagskultur des historischen Orts zu pflegen. Dies würdigend – und in Dankbarkeit für die Aufnahme von böhmischen Glaubensflüchtlingen Anfang des 18. Jahrhunderts in Rixdorf – enthüllte Alexander Dubcek, seinerzeit Parlamentspräsident der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, eine Bronzestatue des Comenius als Geschenk an die Bundesrepublik Deutschland. Dubceks Überzeugung war, dass sich das Menschenrecht der Gewalt- und Gewissensfreiheit letztendlich überall durchsetzt.

Schola ludus

Mit der Bühne im Comenius-Garten wird an das Buch „Schola ludus“ (Schule als Spiel) erinnert, das Comenius für den Lateinunterricht geschrieben hatte. Theaterstücke, die den damaligen Wissensbestand wiedergeben, sind darin enthalten. Und da für Comenius das Denken und das Handeln im Gespräch vermittelt werden, gibt die Bühne dieses in ihrer Gestaltung mit dem von ihm entworfene „Dreieck der Weisheit“ wieder.

Orbis sensualium pictus

Das bekannteste Schulbuch von Comenius – wenn nicht das brühmteste Lehrbuch überhaupt – ist unter dem Titel „Orbis sensualium pictus“ (Welt in Bildern) erschienen. Das bildlich Dargebotene wird in Latein und der jeweiligen Landessprache erklärt. Mit dem Titel des Buches spielt Comenius auf den Sonnenstaat von Thomas Campanella (1568-1639) an, eine soziale Utopie, in der sich Kinder über Bilder, die an den Mauern der Sonnenstadt zu finden sind, das Weltwissen aneignen. Ähnlich wird die Open-Air-Galerie im Comenius-Garten genutzt.

Arzneigärtlein

Comenius fragt: „Was ist Wesen und Zweck unserer Nahrungsmittel?“ Und seine Antwort lautet: „Sie dienen zur Erneuerung der Lebenssäfte und Lebensgeister unseres Körpers, die durch die tägliche Arbeit aufgebraucht werden. Sie müssen also solche Stoffe enthalten, die dem Körper die zu seinem Aufbau nötigen Säfte und Geister zuführen.“ Nahrungsmittel dürfen das Leben nicht gefährden, sie sollen es erhalten, oft sogar, wie bei einer Arznei, wieder aufbauen.

Seelenparadies

Nicht zuletzt deswegen, weil Comenius die drei mosaischen Prinzipien – Materie, Geist und Licht – mit der Zwiegeschlechtlichkeit erläutert, gelingt ihm eine genetische Erklärung in der Naturlehre. Die Materie wurde von Comenius als Mutter und der Geist als Vater betrachtet – das Licht aber als Liebe beider, als Werkzeug, als geistig-materielles Ding, mit dem Dinge wiederhergestellt, beseelt werden können. Das Seelenparadies, die Laube im Comenius-Garten, thematisiert diese Möglichkeit.

Adamitischer Kreis

Mit Unterzeichnung der Gründungsurkunde des Comenius-Gartens im Jahre 1992 verpflichtete sich Berlin das geistige Erbe von Comenius in der Alltagskultur des historischen Orts zu pflegen. Dies würdigend – und in Dankbarkeit für die Aufnahme von böhmischen Glaubensflüchtlingen Anfang des 18. Jahrhunderts in Rixdorf – enthüllte Alexander Dubcek, seinerzeit Parlamentspräsident der Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik, eine Bronzestatue des Comenius als Geschenk an die Bundesrepublik Deutschland. Dubceks Überzeugung war, dass sich das Menschenrecht der Gewalt- und Gewissensfreiheit letztendlich überall durchsetzt.

Irrgarten

Der Irrgarten im Comenius-Garten ist nicht wie ein klassisches Labyrinth gestaltet, wo der Ariadnefaden, am Eingang befestigt, wieder zu diesem als Ausgang führt, sondern als ein offenes System, dessen Ausgang jenseits des Eingangs liegt. Der Mensch verändert die Natur. Und der Ariadnefaden, mit dem er sich aus seinen Verirrungen befreien kann, ist laut Comenius gezwirnt aus Weisheit, Macht und Güte, aus den „Kriterien der menschlichen Natur“*.

* Komenský, J.A.: Allgemeine Beratung über die Verbesserung der menschlichen Dinge. Ausgew., eingel. u. übers. von Franz Hofmann. Berlin 1970, S. 79

Mosaisches Becken

In der Gemeinen Schule des Comenius-Gartens, auf der Grenze zwischen Wiesenteppich und Irrgarten liegt das Mosaische Becken. Es zitiert das „Erste Buch Mose“, wo es heißt: „und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser … und es ward Licht“*. Trägt der Wiesenteppich Züge der ersten Natur, erkennbar an Wildkräutern, Wildobst etc., so zeichnen den Irrgarten Merkmale der zweiten Natur aus, erkennbar an Gebrauchsrasen, gepfropfter Quitte etc.

* Die Bibel. 1. Mose 1, 2-3

Weltenmeer

Auf den Titelkupfern mehrerer Werke von Comenius ist der Kreislauf der Natur zu erkennen: Die Sonne scheint; Wasser verdunstet; Wolken bilden sich; es regnet; ein Quell entspringt; das Wasser stürzt einen Fels hinab. Und das Weltenmeer, auf das die Sonne scheint, läuft nicht über. Diesem Bild ist das Weltenmeer im Comenius-Garten nachempfunden.

Wiesenteppich

Für Comenius wirken in der Natur die im Schöpfungsbericht genannten Prinzipien: Materie, Geist und Licht. Er legt dar, dass unter jenem Geist, der sich auf die Materie gelegt hat, „ein allgemeiner Weltgeist, der allen Geschaffenen Leben und Kraft gibt“*, zu verstehen ist. Im Wiesenteppich des Comenius-Gartens, in diesem Lustgarten der Natur gesellt sich zur Erkenntnisfrage noch ganz beschaulich die Überlebensfrage.

* Comenius, J.A.: Physik

Rosenhain

Der Rosenhain im Comenius-Garten spielt auf die Reformbemühungen Johann Valentin Andreaes (1586-1654) an. Dessen literarische Aufforderung, dem „ehemals“ geheimen Bund des Christian Rosenkreuz öffentlich beizutreten, die eigenen Schriften zur Begutachtung vorzulegen, wurde von vielen Wissenschaftlern in die Realität umgesetzt. Nicht mehr eine katholische Zensur, sondern eine „allgemeine Beratung“, so Comenius, war angesagt, eine Reform nicht nur der Wissenschaft, sondern der ganzen Menschheit.

Veilchenbeet

In die Gemeine Schule des Comenius-Gartens laden Verlockungen ein, und zwar Veilchen, die „duftigsten Blümlein des ersten Schulunterrichts“*, so Comenius. Doch wenn es zutrifft, dass in den Dingen selbst die Verlockungen liegen, wie kann dann der Verstand einen ideologiekritischen Weg finden? Durch den Gebrauch von Werkzeugen? Comenius jedenfalls, an Francis Bacon (1561–1626) anknüpfend, fasst Erkenntnis als Tätigkeit auf. Wahrheit wird hergestellt, sogar mit einem allgemeinen Werkzeug, dem Licht.

* Notiz in einem Brief an Daguerre

Seminar

Das Seminar (der Pflanzgarten) steht für die Weitergabe, für die Vermehrung von Wissen und Kulturtechniken. Damit der Comenius-Garten gedeiht und der Allgemeinheit zugänglich ist, werden hier mit aller Aufmerksamkeit die Praktiken einer wertschätzenden und klugen Hausverwaltung erprobt.

Werkstatt

Comenius beschreibt die Welt nicht allein als Garten, er vergleicht sie auch mit einem Uhrwerk, der Maschine also. Doch ist selbst das Hergestellte für ihn beseelt. So wird die Werkstatt im Comenius-Garten zu einem Schauplatz der Forschung, die betrieben wird, um zur Belebung beizutragen. Sie soll ein Ort der Freiheit sein, der Wertschätzung für die geborenen Wesen und deren Werke – eine Werkstatt der Menschlichkeit.

Auge Gottes

Im Comenius-Garten ist das Auge Gottes ein steinernes Dreieck, an dessen Ecken optische Instrumente angebracht sind. Comenius erläutert mit der Wirkweise des Teleskops und Mikroskops in der „Allgemeinen Beratung“ die analytische und synthetische Methode, wobei er ergänzend den Spiegel, seine synkritische, vergleichende Methode hinzufügt. Erkenntnis scheint für ihn an alltägliche Argumentationen, dem Sprechen in Bildern oder Gleichnissen, zurückgebunden zu sein.

Mutterschulbereich

Mit seiner Frühschrift „Informatorium der Mutterschul“ verfasste Comenius ein Handbuch für die Erzieher der Kleinkinder, für Eltern und Ammen. Und so bezieht der Comenius-Garten einen Kinderspielplatz als Mutterschulbereich nicht nur gestalterisch, sondern auch inhaltlich ein.

Gemeine Schule

Comenius hatte – zu einer Zeit, als es fast nur Hauslehrer für einige wenige Kinder gab – eine „Gemeine Schule“ für Mädchen und Jungen, für Arm und Reich, für Aufgeweckte und Verstörte gefordert. Die verlorengegangenen Handschriften, die er für diese allgemeine Schule von sechs Klassen verfasst hatte, trugen folgende Titel: „Veilchenbeet, Rosenhain, Wiesenteppich, Irrgarten, Arzneigärtlein und Seelenparadies“*, wobei unter dem letzten Ausdruck im Comenius-Garten eine Laube verstanden wird.

* Vgl. Comenius, J.A.:Opera didactica omnia. Teil 1, Amsterdam 1657, Sp. 248 f.

Schule des vorgeburtlichen Werdens

Durch den Comenius-Garten zieht sich ein „Lebensweg“, der in der „Schule des vorgeburtlichen Werdens“ beginnt. Ein Walnussbaum kennzeichnet, dort wo Karl-Marx- und Richardplatz zusammentreffen, diese Schule. Er wurde, gleichsam zur glücklichen Geburt eines Kindes, als Lebensbaum gepflanzt – mahnend aber auch, weil uns laut Comenius das Erbübel so beherrscht, „dass wir den Baum des Lebens hintan setzen und unser verkehrtes Streben nur auf den Baum der Erkenntnis richten“*.

* [Comenius, J.A.,: Große Didaktik. Übers. u. hg. v. Andreas Flitner. Stuttgart 1992, S.61]

Akademiebereich

Comenius hatte in seiner „Allgemeinen Beratung“ neben einem „Weltfriedensgericht“ und einem „Weltkonsistorium“ auch ein „Kollegium des Lichts“ gefordert, in das die Akademien aller Länder zwei bis vier Wissenschaftler delegieren. Die Zusammenarbeit dieser Weltorganisation mit den beiden anderen bestehe darin, dass sie alle Verwicklungen so weit klärt, bis für Theologen nichts übrigbleibt außer Gewissensfreiheit und für Politiker nichts außer Gewaltlosigkeit.

Schule des Berufs

Johann Amos Comenius ist bekannt als Klassiker der Pädagogik. Ihn aber auf unseren Begriff von Schule zu begrenzen, hieße sein Gesamtwerk missverstehen, was in Berlin nicht geschehen sollte. Hier gibt es seit 1737 das Böhmische Dorf, wo noch heute Menschen wohnen und arbeiten, deren Vorfahren Glaubensgeschwister von Comenius waren. Hier ist noch eine Zeit zu erkunden, welche die Welt als Garten, in dem der Mensch zur Schule geht, verstanden hat.

Greisenschule

Im „Einig Notwendigen“ schreibt Comenius zum Menschen als Greis: „Wenn ihm noch etwas zu tun übrig bleibt, so sei es Leben schaffend, erhaben, auf den Himmel gerichtet; er sei wie ein alter Baum, der, wenn er auch weniger tragfähig ist, doch um so edlere, süßere und saftigere Früchte bringt. Was der Greis an sich oder anderen an Irrtümern bemerkt, soll er noch vor seines Lebens Ende verbessern. Sonst überrascht ihn der Tod, ehe er’s getan hat und bringt ihn um den ganzen Preis seines Lebens.“

Schule des Todes

„Die Greise haben nun einmal, wenn sie nicht von Sinnen sind, den Tod deutlich vor Augen. Worüber sollten sie lieber nachdenken als darüber, wie sie ihn, auch wenn er unverhofft kommt, empfangen können? […] Denn es ist gewiss der beste Teil des Philosophierens, sterben gelernt zu haben. Sei verständig genug, gut zu sterben! Sterben ist keine Kunst. Der Tod kommt von selbst. Aber gut zu sterben, das ist die Kunst der Künste.“  [Comenius, Allgemeine Beratung]

Comenius-Garten mit Lebensweg

Der Comenius-Garten ist nach Comenius‘ Gesellschaftsvorstellung als Lebensweg durch acht Schulbereiche gestaltet. In der „Schule des vorgeburtlichen Werdens“, am Zugang vom Karl-Marx-Platz, steht eine Walnuss als Baum des Lebens. Dann schließt sich der Spielplatz als Mutterschulbereich an. Mit Eintritt in den umzäunten Garten, wozu die pädagogischen Einrichtungen am Ort einen Schlüssel haben, beginnt die sechs-klassige „Gemeine Schule“ samt Veilchenbeet, Rosenhain, Wiesenteppich, Irrgarten, Arzneigärtlein und Seelenparadies. Danach führt der Lebensweg am Comenius-Denkmal vorbei zum Lateinschulbereich und weiter zum Akademiebereich. Bevor dieser erreicht wird, gibt es einen Abzweig zu Seminar und Werkstatt mit Gewächshaus dazwischen zum Studium der Wechselwirkung von Natur und Technik auf engem Raum. Mit Verlassen des Gartens durch die Pforte an der Richardstraße, wo die Allgemeinheit mithilfe eines Summers den Garten betreten kann, führt der Lebensweg ins Böhmische Dorf als Schule des Berufs und zur „Greisenschule“, der Seniorentagesstätte mit Bauerngarten davor. Der Lebensweg endet, über die Kirchhofstraße dann, mit der Schule des Todes, dem Böhmischen Gottesacker. Sein Ausgang am Karl-Marx-Platz aber liegt dem Gartenzaun schräg gegenüber. Der Lebensweg ist ein sich wiederholender Kreis, für Comenius selbstverständlich, weil die erste und die letzte Schule den Menschen dauerhaft begleiten.